Zu niedrige Investitionen gefährden unsere Krankenhäuser
Seit Anfang der 1970er-Jahre sind die Bundesländer für Investitionen in unsere Krankenhaus-Infrastruktur zuständig. Doch diese kommen ihrer Aufgabe immer weniger nach. So ist laut ver.di ein Investitionsrückstand von 30 Milliarden Euro entstanden. Der Bund hat jetzt auf Grundlage des Corona-Krisenpakets drei Milliarden Euro insbesondere für die Digitalisierung der Kliniken bereitgestellt. Doch wie kann der Investitionsfluss langfristig sichergestellt werden? Schreiben Sie uns Ihre Meinung unten in die Kommentare.
Länder investieren 50% weniger in ihre Krankenhäuser als 1991
Krankenhäuser finanzieren sich in Deutschland aus zwei Quellen: Behandlungen werden von den gesetzlichen Krankenkassen und privaten Krankenversicherungen gezahlt. Für Investitionen müssen seit den 1970er Jahren die Bundesländer aufkommen. Das Problem: Nach Berechnungen der Deutschen Krankenhausgesellschaft sank das von den Ländern bereitgestellte Investitionsvolumen im Zeitraum der Jahre 1991 bis 2018 um fast 50 Prozent. Dabei sind die größten Rückgänge in Sachsen-Anhalt (-85,3%), Berlin (-81,9%) und Sachsen (-77 %) zu verzeichnen (s. Grafik).
Nur die Hälfte der Krankenhaus-Investitionen kommt aus öffentlichen Fördermitteln
"Faktisch wird nur noch die Hälfte der Krankenhaus-Investitionen aus öffentlichen Fördermitteln bestritten", konstatiert das Deutsche Krankenhausinstitut. "Die andere Hälfte der erforderlichen Investitionen steuern die Krankenhäuser anderweitig bei, etwa über Überschüsse aus den Leistungsentgelten." Das bedeutet, von dem Geld, das für die Behandlung der Patient/innen und das Personal-Budget bereitgestellt wird, müssen die Kliniken Mittel für Investitionen abzweigen. Je höher der Gewinn ist, den sie bei der Behandlung erzielen, und je weniger Personalkosten entstehen, desto mehr Geld steht bereit. Fachleute vermuten, dass diese wirtschftlichen Erwägungen auch dazu führen, dass Patient/innen immer früher aus dem Krankenhaus entlassen werden – teils zu früh. Der Teilausstieg der Bundesländer aus ihrer Finanzierungsverantwortung verlagert die Investitionskosten so auf die gesetzlichen Krankenversicherungen und schadet damit der Qualität der Versorgung von Patientinnen und Patienten.
Und auch auf diesen Weg konnte nur rund ein Viertel der Kliniken das Geld für notwendige Investitionen in den letzten Jahren erzielen. Bei den anderen Häusern lagen Investitionen in neue Geräte, Neubauten oder die digitale Infrastruktur auf Eis. So bleibt jedes Jahr eine Lücke zwischen dem Betrag, den die Krankenhäuser für Investitionen benötigen, und den Investitionen, die tatsächlich fließen: "Einem jährlichen Investitionsbedarf von über 6,5 Milliarden Euro stehen tatsächliche Investitionsförderungen von 2,8 Milliarden Euro gegenüber", beziffert ver.di die jährliche Investitionslücke auf 3,7 Milliarden Euro.
Sparen riskiert auf lange Sicht die Sicherheit unserer Gesundheitsversorgung
Fachleute warnen, dass sich hier ein Muster wie beim Straßenbau wiederhole: Über einige Jahre hinweg lasse sich an den Kliniken unauffällig sparen, doch dann würden die Versäumnisse unübersehbar – und gefährlich. Nur mit einer exzellenten Infrastruktur kann eine zeitgemäße, lebensrettende Gesundheitsversorgung sichergestellt werden.
Haben Sie bereits spüren müssen, dass zu wenig Geld in unsere Krankenhäuser investiert wird? Schreiben Sie uns davon unten in den Kommentaren.
Digitalisierung im Krankenhaus zum Wohl von Patient/innen und Beschäftigten
DGB und ver.di begrüßen deshalb, dass der Bund nun mit dem "Krankenhauszukunftsgesetz" drei Milliarden Euro im Rahmen des Corona-Krisenpakets bereitstellen will, um vor allem in die digitale Infrastruktur der Krankenhäuser zu investieren. Denn: "Auch für bessere Arbeitsbedingungen in der Pflege und ein insgesamt attraktives Arbeitsumfeld sind dringend Investitionen erforderlich", so der DGB. Nur wenn die Investitionen in die digitale Infrastruktur zum Wohl von Patient/innen und Beschäftigten eingesetzt werden, kann das Gesetz ein Erfolg werden.
Hier diskutieren wir die Situation der Beschäftigten in der Kranken- und Altenpflege. Arbeiten Sie selbst in dieser Branche? Schreiben Sie uns von Ihren Erfahrungen und Ihrer Meinung in den Kommentaren.
Bundesländer müssen ihre Verantwortung übernehmen
Zugleich zeigt ein Blick auf die Zahlen der letzte Jahre, dass die zusätzlichen Bundesmittel aus dem Corona-Paket den Investitionsstau im Krankenhaussystem nicht langfristig lösen werden. Ein Hindernis könnte dabei auch sein, dass die Länder selbst weitere 1,3 Milliarden Euro beisteuern sollen, damit die Bundesgelder fließen. Das macht einmal mehr deutlich: Nur wenn die Bundesländer ihre Aufgabe übernehmen, kann eine Wende erfolgen. Sie müssen den langjährigen Investitionsstau in Höhe von mittlerweile 30 Milliarden Euro beheben. So können auch Schließungen und "Notverkäufe" sanierungsbedürftiger Kliniken an renditeorientierte Investoren verhindert werden und die medizinische Grundversorgung flächendeckend sichergestellt werden. Schließlich ist die Zahl der Krankenhäuser in Deutschland seit 1991 um 20 Prozent gesunken. Der DGB fordert deshalb, dass die im Koalitionsvertrag verankerte Bund-Länder-Arbeitsgruppe eine Lösung im Interesse der Beitragszahler/innen findet.
Wo fehlt aus Ihrer Sicht das Geld am meisten in unserem Gesundheits- und Pflegesystem? Was muss aus Ihrer Sicht geändert werden? Schreiben Sie uns in die Kommentare.
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