Gesundheitssektor braucht dringend mehr Personal und Investitionen

Krankenschwester im Stress
Ob im Krankenhaus oder in der Altenpflege: In Deutschland sind immer mehr Menschen auf Unterstützung angewiesen. Doch es gibt zu wenig Pflegekräfte. Und die Situation wird sich in den nächsten Jahren weiter verschärfen. Trotzdem hat Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) es in der gesamten Legislatur nicht geschafft, die Situation in der Pflegebranche tatsächlich zu verbessern, kritisert DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel zum Tag der Pflege. Dabei muss im Gesundheitsbereich nicht nur in neue Stellen und bessere Arbeitsbedingungen investiert werden, sondern auch in die Infrastruktur.

Massiver Personalmangel in der Altenpflege

Im Jahr 2030 wird es nach Prognosen des Bundesministeriums für Gesundheit etwa 4,6 Millionen pflegebedürftige Menschen in Deutschland geben. Das sind 600.000 mehr als heute. Deshalb wird die Nachfrage an professionellem Pflegefachpersonal weiter stark zunehmen: Laut Pflege-Report werden bis 2030 ungefähr 130.000 zusätzliche Pflegefachkräfte allein in der Altenpflege fehlen.

ver.di fordert 162.000 zusätzliche Stellen in Krankenhäusern

Und schon heute ist das Personal in der Altenpflege zu knapp bemessen: ver.di fordert deshalb eine Erhöhung des Personals um mehr als ein Drittel. Auch in Krankenhäusern sieht die Gewerkschaft einen Bedarf von 162.000 zusätzlichen Stellen – sofort. Dafür muss die Politik dringend ein am Pflegebedarf orientiertes bundeseinheitliches Verfahren zur Personalbemessung aufsetzen.

Beschäftigte im Pflegesektor fühlen sich häufig gehetzt

Damit das benötigte Personal gefunden werden kann, braucht es bessere Arbeitsbedingungen im Pflegesektor. Nur so kann die Arbeit in diesem Bereich wieder attraktiver werden. Dass das bitter nötig ist, zeigen Zahlen des Index Gute Arbeit: So fühlen sich 44 Prozent der Beschäftigten in Pflegeberufen sehr häufig auf der Arbeit gehetzt – der Durchschnitt aller Beschäftigten in Deutschland liegt hingegen bei 23 Prozent.

Neben einer angemessenen Personalbemessung, die den Stress für die Beschäftigten verringert und die Qualität ihrer Arbeit sichert, braucht es dringend auch eine finanzielle Aufwertung. Die Brutto-Stundenlöhne von examinierten Kräften in der Altenpflege mit rund 14 Euro und 16 Euro in der Krankenpflege sind deutlich niedriger als der Mittelwert aller Beschäftigten in Deutschland (Grafik). Da vier von fünf Erwerbstätigen in der Alten- und Krankenpflege weiblich sind, würde eine finanzielle Aufwertung der Pflege- und Gesundheitsberufe auch dazu beitragen, die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern zu verringern.

DGB krisiert Gesundheitsminister Spahn

"Großer Respekt und hohe Anerkennung gilt unseren Pflegekräften – egal ob im Pflegeheim oder im Krankenhaus – die Frauen und Männer dort leisten Großes, nicht erst seit der Corona-Pandemie", erklärt Anja Piel (DGB) zum Tag der Pflege. "Bundesminister Spahns Aufgabe wäre es gewesen, nicht nur warme Worte zu finden, sondern tatsächlich für Verbesserungen zu sorgen. Dringend benötigte Verbesserungen sind jetzt kurz vor Ende der Legislaturperiode nicht mehr in Sicht: Weder ist es Spahn gelungen, den Knoten für einen bundeseinheitlichen Tarifvertrag in der Altenpflege zu durchschlagen, noch liefert er einen Fahrplan zur Einführung eines bundeseinheitlichen Personalschlüssels, der sich endlich am individuellen Bedarf der Pflegebedürftigen orientiert"

Wo hapert es bei den Arbeitsbedingungen in der Pflege am meisten? Schreiben Sie uns unten in den Kommentaren von Ihrer Meinung und Ihren Erfahrungen.

Bruttostundenlöhne in der Altenpflege sind besonders niedrig

Investitionsrückstand in Kliniken liegt bei 30 Milliarden Euro

Soll auch künftig eine gute medizinische Versorgung flächendeckend sichergestellt sein, braucht es zudem mehr Geld für Digitalisierung, moderne Medizintechnik und neue Therapieformen. Und die Zeit drängt. Denn schon heute gibt es bei den Kliniken einen Investitionsrückstand von 30 Milliarden Euro. Schon seit Jahren investieren die Länder nur unzureichend in ihre Krankenhäuser: "Einem jährlichen Investitionsbedarf von über 6,5 Milliarden Euro stehen tatsächliche Investitionsförderungen von 2,8 Milliarden Euro gegenüber", kritisiert ver.di.

Mehr über den Investitionsrückstand in Krankenhäuser erfahren Sie hier. Wo muss aus Ihrer Sicht am dringendsten im Gesundheitssektor investiert werden? Schicken Sie uns ein Foto für die DGB-Foto-Aktion #InvestierHier.

Wer ins Heim muss, droht in Pflegearmut zu landen

Nicht nur bei Krankenhäusern kommen die Bundesländern ihren Investitionsverpflichtungen nicht nach: Auch die Investitionskosten in Pflegeheime tragen die Bundesländer kaum, obwohl es ihre Aufgabe ist. Erschwerend für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen kommt hinzu, dass die Pflegeversicherung so unterfinanziert ist, dass auch sie die Kosten für die Pflege nicht voll übernimmt – obwohl dies eigentlich ihre Funktion sein müsste. So werden beide Kosten auf die Pflegebedürftigen und ihre Angehörigen abgewälzt. Dadurch zahlen Pflegebedürftige monatlich im Bundesdurchschnitt 2.015 Euro für einen Pflegeplatz im Heim. Würden sie nur Unterkunft und Verpflegung zahlen, wie es eigentlich sein müsste, lägen die Kosten um rund 60 Prozent niedriger bei 774 Euro.

So viel zahlen Pflegebedürftige für einen Platz im Pflegeheim je Bundesland

Dass bei solch hohen Kosten für einen Pflegeplatz 30 Prozent der stationär Pflegebedürftigen in die Pflegearmut abrutschen und Sozialhilfe (Hilfen zur Pflege) beantragen müssen, ist trauriger Alltag. Der DGB fordert deshalb die Einführung einer Pflegebürgerversicherung für alle. Sie soll sämtliche pflegerischen Kosten übernehmen. Auf diese Weise würde sie das System wieder aus der Schieflage holen und das Pflegerisiko solidarisch absichern – so wie es das zentrale Ziel bei Einführung der Pflegeversicherung war. Um die Pflegeheimkosten für die Bürger/innen bezahlbarer zu machen, müssen außerdem die Bundesländer wieder ihrer Verantwortung gerecht werden und die Investitionskosten in Pflegeheime voll tragen.

Fordern auch Sie mehr Investitionen in den Pflegebereich und in Krankenhäuser? Dann machen Sie mit unserer Foto-Aktion den Investitionsbedarf sichtbar.

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Kommentare

Also ich bin der Ansicht, dass es wieder so ein verpflichtendes soziales Jahr geben sollte so wie es den in früheren Zeiten mit dem Zivildienst vor dem Bundesfreiwilligendienst schon mal gab. Auch, wenn sich Viele möglicherweise dann trotzdem weiterhin gegen ein Sozialberuf bzw. -arbeit entscheiden, so prägt es doch und sind wertvolle Erfahrungen

Warum wird immer gesagt der Notstand käme erst 2030? der ist doch schon längst real- es muss nur eine Person fehlen und schon bricht der ganze Dienstplan zusammen, nur weil 25 Jahre im Pflegeheim nur Notbesetzung ist, heisst es nicht das es so weiter gehen kann.

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